Urteil LG Heilbronn zu Nordcapital Bulkerflotte 1

Landgericht Heilbronn bescheinigt der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG versuchten Prozessbetrug

Urteil des LG Heilbronn zugunsten eines Bulkerflotte 1-Anlegers wegen Falschberatung

In einem Verfahren um den gescheiterten und für die Anleger verlustreichen Schiffsfonds "Nordcapital Bulkerflotte 1" hat das Landgericht Heilbronn die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG zur Rückabwicklung der Fondsanlage und zur Zahlung von rund 14.300 Euro (zzgl. Zinsen) an einen geschädigten Anleger verurteilt. Der von der Kanzlei Kälberer & Tittel vertretene Anleger hatte auf Schadensersatz wegen Falschberatung geklagt und recht bekommen. Er ist laut Urteil von allen weiteren Schäden oder Nachteilen aus dieser Beteiligung freizustellen (Urteil vom 01.12.2017, Az. Bi 6 O 154/17).

Systematische Missstände

Das Besondere an den Bulkerflotte 1-Verfahren ist, dass die Bankberater der Deutschen Bank AG und der Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG nach den Erfahrungen der Kanzlei Kälberer & Tittel seinerzeit nicht nur Prospekte zu spät übergaben, sondern den Tag der Übergabe regelmäßig selbst schriftlich dokumentiert haben. Die Kanzlei hatte insoweit einen Musterprozess erfolgreich bis zum BGH geführt und letztlich wegen der zu späten Prospektübergabe gewonnen (Beschluss vom 22.11.2016, XI ZR 177/16). Wer nun denkt, die beiden Banken würden deshalb zukünftig freiwillig zahlen, der irrt. Im Gegenteil: Als Reaktion auf dieses Musterurteil wurde nach den Kenntnissen der Kanzlei – vermutlich in Hunderten von Prozessen - trotz der schriftlichen eigenen Dokumentationen der Banken einfach bundesweit eine rechtzeitige Prospektübergabe vorgetragen. Eine Übergabe des Prospektes am Zeichnungstag ist nach der Rechtsprechung des BGH aber gerade nicht rechtzeitig, sondern zu spät erfolgt. Somit geht es vorliegend nicht nur um einen Einzelfall, sondern quasi nur um den ersten "aufgeflogenen" Fall.  

In dem vorliegenden Fall lief das so ab: "In der Zeichnungsdokumentation wurde schriftlich vom Bankmitarbeiter selbst festgehalten, dass die Prospektübergabe am Tag der Zeichnung – und damit nach der Rechtsprechung zu spät – erfolgte", erklärt Rechtsanwalt Dietmar Kälberer von der Kanzlei Kälberer & Tittel in Berlin, der den Anleger in dem Verfahren vor dem LG Heilbronn vertreten hat. "Die schriftliche Zeichnungsdokumentation Ihres eigenen Beraters kannte die Bank, trotzdem hat sie vor Gericht eine rechtzeitige Prospektübergabe behauptet." In seinem Urteil bezeichnet das Landgericht die Behauptung der Bank, die Beraterin habe die Übergabe abweichend (vom tatsächlichen Ablauf am Zeichnungstag) vorgetragen, als "versuchten Prozessbetrug"!

Eigener Vorstand warnte vor schwerer Krise

In dem Urteil vom 1.12.2017 bejahte das Landgericht Heilbronn zudem einen klaren Beratungsmangel, insbesondere weil die damalige globale Banken-, Finanz- und Weltwirtschaftskrise - und die daraus resultierenden Risiken für die Schifffahrt - nicht erwähnt wurden. Der Bulkerflotte I-Fonds wurde ab Juni 2008 vertrieben. Aber bereits im dritten Quartal 2007 hatten Gewinnwarnungen und Milliardenverluste die Bankenwelt erschüttert; weitere schwere Belastungen wurden erwartet. Im Dezember 2007 schon warnte der frühere Vorstand der Deutschen Bank, bei der Finanzkrise handle es sich um "die schlimmste Krise, die ich in meinen 30 Jahren als Banker erlebt habe" (Zitat Josef Ackermann in der Zeitschrift "Capital" vom 6.12.2007). Anstatt von dem Fonds abzuraten und vor den Auswirkungen der Finanzkrise zu warnen, wurden in den Flyern und Präsentationen günstige Aussichten für die Schifffahrt dargestellt.  (Das Urteil ist auf unserer Website unter "Nordcapital Bulkerflotte 1"per Link abrufbar)

09.01.2018 von Dietmar Kälberer

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